Schweigegeldprozess hat begonnen Der erste Zeuge entlastet Donald Trump nicht

Andreas Fischer / Benno Schwinghammer, dpa

22.4.2024

Plädoyers im Trump-Verfahren: «Das nennt man Demokratie»

Plädoyers im Trump-Verfahren: «Das nennt man Demokratie»

STORY: Donald Trump auf dem Weg zum Gerichtsgebäude in Manhatten am Montag. Der Tag startete mit den Eröffnungsplädoyers im Strafprozesses gegen den Ex-Präsidenten. In der vergangenen Woche waren zunächst die Geschworenen bestimmt worden. Der Prozess dreht sich um eine Schweigegeldzahlung an eine Ex-Pornodarstellerin. Bei Gericht angekommen wandte sich der Ex-Präsident, der wieder ins Weisse Haus einziehen will, vor dem Gerichtssaal erneut mit Beschuldigungen in Richtung Amtsinhaber Joe Biden an die Journalisten – und damit an an die US-Wählerinnen und Wähler. «Bevor wir beginnen, möchte ich nur sagen, dass dies alles Biden-Prozesse sind. Dies geschieht als Wahleinmischung. Jeder weiss es. Ich bin hier – anstatt in Pennsylvania, Georgia und anderswo Wahlkampf zu machen. Das ist sehr unfair. Die Umfragewerte sind sehr gut gestiegen, weil die Leute verstehen, was los ist.» Staatsanwalt Matthew Colangelo beschuldigte Trump einer «kriminellen Verschwörung und einer Vertuschungsaktion». Ziel sei gewesen «die Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 zu beeinflussen». Trumps Verteidigung wies alle Vorwürfe gegen den Präsidentschaftsbewerber zurück. «Nichts ist an dem Versuch falsch, eine Wahl zu beeinflussen», sagte sein Anwalt Todd Blanche am Montag in New York in seinem Eröffnungs-Plädoyer. «Das nennt man Demokratie. Sie geben dieser Idee einen finsteren Anstrich, als ob es ein Verbrechen wäre», erklärte er unter Verweis auf die Staatsanwaltschaft. Für sie hatte Matthew Colangelo angekündigt, in dem Verfahren werde es um Verschwörung und Vertuschung gehen mit dem Ziel, «die Integrität einer Präsidentschaftswahl zu untergraben» sowie um «die Schritte, die Donald Trump unternommen hat, um diesen illegalen Wahlbetrug zu verstecken». Die Anklage gegen Trump war von den Geschworenen einer Grand Jury erhoben worden. Sie warf ihm vor, im Vorfeld der Wahl 2016 Geschäftsunterlagen im Zusammenhang mit einer Zahlung an den Pornostar Stormy Daniels gefälscht zu haben. Einer seiner Anwälte zahlte ihr demnach 130.000 Dollar für ihr Schweigen über eine sexuelle Begegnung mit Trump. Im Fall einer Verurteilung drohen Trump wegen der Fälschung von Unterlagen bis zu vier Jahre Haft. Auch eine Geldstrafe oder eine Verurteilung auf Bewährung ist möglich. In den Zeugenstand trat am Montag David Pecker, früherer Herausgeber der US-Illustrierten «National Enquirer». Er sollte über seine Rolle bei einem Plan zur Unterdrückung negativer Informationen über Trump vor der Wahl 2016 aussagen. Der 72-jährige Pecker erklärte die Grundlagen des Boulevardjournalismus und sagte, sein Unternehmen bezahle oft für Geschichten. Er sprach nicht über seine Interaktionen mit Trump, wird aber voraussichtlich am Dienstag für weitere Befragungen erneut vor Gericht erscheinen.

22.04.2024

Hätte er bei der Präsidentschaftswahl als verurteilter Straftäter noch eine Chance? Für Donald Trump steht beim Prozess um Schweigegeldzahlungen viel auf dem Spiel. Entsprechend angriffslustig zeigt sich sein Anwalt.

Andreas Fischer / Benno Schwinghammer, dpa

22.4.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der weltweit beachtete Strafprozess gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump hat mit den Eröffnungsplädoyers von Anklage und Verteidigung begonnen.
  • In dem Prozess geht es um Schweigegeldzahlungen an Pornostar Stormy Daniels: Trump ist unter anderem wegen Fälschung von Geschäftsunterlagen angeklagt.
  • Zum Prozessauftakt wählte die Anklage deutliche Worte, Trumps Verteidiger konterte mit Angriffen auf zwei Kronzeugen.

Der ehemalige US-Präsident sei ein rechtschaffener Mann, ein Vater, ein Mensch, sagen seine Verteidiger. Er habe ein kriminelles Komplott orchestriert, gelogen, vertuscht und einen Wahlbetrug angezettelt, sagt die Staatsanwaltschaft.

Und Donald Trump? Sitzt im Gerichtsaal und hört zu: zum Schweigen verdammt. Richter Juan Merchan hat ihm Kommentare über Staatsanwälte, Zeuginnen und Zeugen sowie seine eigene Familie verboten: In New York City hat am Montag der Schweigegeldprozess gegen Trump begonnen.

Es ist der erste Strafprozess gegen einen ehemaligen Präsidenten in der US-Geschichte. Nachdem in der vergangenen Woche die Geschworenen-Jury ausgewählt worden war, ging es mit den Eröffnungsplädoyers los. Und die hatten es in sich.

Wahlbetrug oder Demokratie?

Staatsanwalt Matthew Colangelo warf dem 77-Jährigen vor, er habe den Ausgang der US-Präsidentenwahl 2016 mit der Zahlung von 130’000 Dollar an Porno-Darstellerin Stormy Daniels beeinflussen wollen: «Es war Wahlbetrug – schlicht und einfach.»

Trumps Verteidiger Todd Blanche stellte seinen Klienten dagegen als ehrbaren Mann dar: «Präsident Trump ist unschuldig. Präsident Trump hat keine Verbrechen begangen.» Es sei völlig legal, Geheimhaltungsvereinbarungen einzugehen. «Es ist nichts Falsches daran, Wahlen zu beeinflussen, das nennt man Demokratie.»

Trump – gekleidet in dunkelblauem Anzug und blauer Krawatte – war am Montag ebenfalls im Gerichtssaal anwesend. Während er den Ausführungen der Staatsanwaltschaft äusserlich meist ungerührt, stoisch und mit ernster Miene beiwohnte, drehte er sich beim Eröffnungsplädoyer Blanches zu seinem Verteidiger und hörte offensichtlich aufmerksam zu.

Angriffsmodus eingeschaltet

Wenn die Anklage die zwölf Geschworenen von den Vorwürfen überzeugt, drohen Trump mehrere Jahre Haft, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnten. Dem Fall wird Einfluss auf den Fortgang des gegenwärtigen US-Wahlkampfes zugesprochen.

Trump will im November für die Republikaner erneut zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden und Amtsinhaber Joe Biden ablösen. Ein Urteil könnte im Juni gefällt werden. Trump hatte auf nicht schuldig plädiert und zuletzt seinen Willen bekundet, beim Prozess aussagen zu wollen.

Die bezahlten Gelder seien rechtmässig geflossen, unterstrich sein Anwalt. Und dann schaltete Blanche in den Angriffsmodus und attackierte den Kronzeugen der Anklage, Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen: Dieser sei ein unglaubwürdiger Krimineller, der bereits unter Eid gelogen hätte.

Auch Stormy Daniels unter Beschuss

Cohen steht in gewisser Weise im Zentrum des Verfahrens. Einst als Trumps rechtlicher Ausputzer bekannt, hat er sich in den vergangenen Jahren gegen ihn gewandt. Cohen beteuert, Trump habe ihn mit der Schweigegeldzahlung direkt beauftragt. Trumps Verteidigung stellte ihn als von Rachegelüsten Getriebenen dar.

Auch Stormy Daniels griff der Anwalt scharf an. Ihr könne man ebenso wenig vertrauen wie Cohen. Schliesslich profitiere sie von der Geschichte, verdiene damit Hunderttausende Dollar mit Deals für ein Buch und TV-Rechte.

Wie die Prozessbeobachter der «New York Times» erstaunt feststellten, ging es am ersten Tag des Prozesses recht zügig voran. Trotz der Scharmützel in den Eröffnungsplädoyers.

Sogar der erste Zeuge wurde bereits aufgerufen: David Pecker, ehemaliger Herausgeber des Trump-nahen Boulevardblatts «National Enquirer». Hintergrund seiner Vorladung sind Gelder, die der «National Enquirer» mutmasslich im Auftrag des damaligen Präsidentschaftskandidaten ebenfalls kurz vor der Wahl 2016 für die Rechte an zwei Geschichten gezahlt hatte. Diese hatte das Blatt anschliessend jedoch nie veröffentlicht – diese also unterdrückt. «Catch and Kill» wird diese Methode in den USA genannt.

«Scheckbuchjournalismus» im Auftrag Trumps?

Bei einem der Fälle ging es um einen Angestellten im Trump Tower in New York, dem der «National Enquirer» 30’000 Dollar zahlte. Der Mann hatte behauptet, er wisse von Trumps Vaterschaft eines ausserehelichen Kindes.

Das ehemalige Playmate Karen McDougal bekam zudem 150’000 Dollar. Sie hatte angegeben, eine Affäre mit Trump gehabt zu haben und wollte diese Geschichte im Wahlkampf für eine hohe Summe verkaufen.

Pecker bestätigte in seiner Aussage, dass das Boulevardblatt «Scheckbuchjournalismus» betrieben habe, also für Geschichten zahlte. Seine Befragung soll am Dienstag weitergehen.

Beim Prozess sind keine Kameras zugelassen. Wer das Geschehen im Gerichtssaal dennoch detailliert verfolgen möchte, kann jeweils am Ende des darauffolgenden Tages eine Abschrift jedes Verhandlungstages auf der Website des Gerichts finden.

Einmalig in der US-Geschichte: Mit Donald Trump steht zum ersten Mal ein ehemaliger Präsident in einem Strafprozess vor Gericht.
Einmalig in der US-Geschichte: Mit Donald Trump steht zum ersten Mal ein ehemaliger Präsident in einem Strafprozess vor Gericht.
Bild: KEYSTONE